Trotz aller Unkenrufe: Die Partnerschaft zwischen der Jumelages Darmstadt und den Freunden aus St. Petersburg lebt. Im Zeitraum vom 2. bis 9. Juli 2012 trafen sich acht Darmstädter mit acht Petersburgern erstmals an einem dritten Ort, nämlich in Berlin. Vier Petersburger kamen für eine Woche in die deutsche Hauptstadt, vier andere nur für wenige Tage.
Berlin – Berlin, so war der Wunsch unserer St. Petersburger Freunde, als wir sie im letzten Jahr besuchten.
Und so verließen Anfang Juli acht Darmstädter Jumeleure die heimatlichen Gefilde, um mit den acht St. Petersburger Gästen Berlin zu erkunden.
Als Unterkunft diente das zentral in Berlin-Mitte gelegene Hotel Best Western, nur wenige Schritte entfernt von der U-Bahn Station Spittelmarkt und der gleichnamigen Bushaltestelle. Zum Erreichen der Sehenswürdigkeiten und Museen leistete uns die Tagesgruppenkarte preiswerte Hilfe.
Was in den täglichen Sightseeing Touren besucht werden sollte, hatten wir vorher miteinander abgestimmt. Von der Antike (Pergamon Museum und andere Museen auf der Museumsinsel) bis in die Neuzeit des Deutschen Historischen Museums reichte das Spektrum der Museumsbesuche.
Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche am Tauentzien, der Berliner Dom am Lustgarten sowie der Französische Dom und der Deutsche Dom am Gendarmenmarkt, der eigentlich keine Kirche mehr ist, wurden besucht.
Geschichtsträchtige und bekannte Plätze betraten wir: den Alexanderplatz mit dem Fernsehturm und der Weltzeit-Uhr, den Potsdamer Platz mit dem Sony-Center und dem Kollhoff-Tower mit Aussichtsplattform und Restaurant in 100 Meter Höhe, den Pariser Platz mit dem Brandenburger Tor, das Sowjetische Ehrenmal nahe dem Brandenburger Tor an der Straße des 17. Juni, den Checkpoint Charlie, wo sich die Amerikaner in West- und die Russen in Ostberlin unmittelbar gegenüberstanden, die Straße Unter den Linden und den Kudamm (Kurfürstendamm), die Prachtstraße als es noch ein „West-Berlin“ gab.
Im Kaufhaus des Westens KaDeWe am Wittenbergplatz und im französischen Kaufhaus Galeries Lafayette in der Friedrichstraße kam natürlich auch das „Shopping“ nicht zu kurz. Auch der Berliner Zoologische Garten, der über die Grenzen Berlins hinaus bekannt ist, wurde besucht. Die Abende in den Lokalen am Hackeschen Markt und im Nikolaiviertel dürfen nicht unerwähnt bleiben.
Ein Highlight war die Auffahrt in die gläserne Kuppel des Reichstagsgebäudes. Es war eine persönliche Anmeldung der Teilnehmer erforderlich. Vor dem Betreten des Gebäudes musste man Sicherheitskontrollen über sich ergehen lassen, wie wir sie auf Flughäfen kennen. Mit einem Audio-Führer in russischer oder deutscher Sprache am Ohr, der an zahlreichen Stopps über die Sehenswürdigkeiten informierte, stiegen wir den spiralförmig nach oben führenden Rundgang in die Kuppel hinein. Für mich war es ein tiefes Gefühl, über dem Ort zu stehen, an dem deutsche Geschichte geschrieben wurde und wird.
Die anschließende Entdeckertour mit dem Schiff auf der Havel und den Verbindungskanälen ließ Berlins Zentrum mit dem Reichstag, dem Regierungsviertel und zahlreichen Museen und Monumenten vom Wasser aus in einem ganz anderen Blickwinkel erscheinen.
Auf eine schon früher bestandene Freundschaft zwischen Russland und Deutschland (Preußen) machte ein Kenner der geschichtlichen Vergangenheit aufmerksam. Wir besuchten in den Kolonnaden im Kleist Park das Freundschaftsgeschenk des russischen Zaren Nikolaus I 1842 an den Preußen-könig Friedrich Wilhelm IV. Zwei Pferdestatuen mit dem „Rossbändiger“ sind dort aufgestellt. Die gleiche Statuengruppe, erweitert um zwei weitere Darstellungen des Rossbändigers, bilden die Eckpunkte der Anitschkow-Brücke in St. Petersburg.
Als Ergänzung zum Berliner Besuchsprogramm wünschten einige Interessierte, Dresden zu be-suchen. Anlass war die Sonderausstellung zum „500sten Geburtstag“ der sixtinischen Madonna. Das Bild durfte nicht in der Gemäldegalerie Alte Meister im Zwinger fotografiert werden und so mussten wir uns mit einem Bild auf dem Außenplakat zufriedengeben. Ein Besuch der im Krieg völlig zerstörten – und dann mit Spendengeldern aus aller Welt wieder aufgebauten – Dresdener Frauenkirche durfte auch nicht fehlen, ebenso wenig wie ein Spa-ziergang auf den Elb-Terrassen.
Abgerundet wurde das Berliner Besuchsprogramm mit einem Ausflug nach Potsdam, der Landeshauptstadt von Brandenburg. Sie ist ca. 250 Jahre älter als Berlin und war Residenzstadt der Kurfürsten und der preußischen Könige. Die 5 Mio. m2 umfassende Schlösser- und Parklandschaft mit rund 150 historischen Gebäuden steht seit 1990 als das größte Weltkulturerbe Deutschlands unter dem Schutz der UNESCO.
So steht auch hier das wahre richtige Brandenburger Tor. „Das in Berlin ist nur eine Nachbildung“, sagte der Stadtführer. Bei einer Rundfahrt wurden wir bekannt gemacht mit der Siedlung Holländisches Viertel. Friedrich Wilhelm I. ließ um 1735 Backsteinhäuser errichten für französische Hugenotten und niederländische Einwanderer, die er zur Besiedlung des sumpfigen Gebietes ins Land holte. Wir fuhren vorbei an der kleinen russischen Siedlung Alexandrowka, die Friedrich II. für seinen vom Zar Alexander „geschenkten“ Militärchor errichten ließ. Und natürlich besuchten wir den geschichtsträchtigen Cäcilienhof sowie Schloss und Park Sanssouci. König Friedrich der Große brauchte eine Sommer-residenz ohne Sorge. Sans souci. Sogar eine Innen-besichtigung der königlichen Gemächer war für uns organisiert.
Der Abschluss des Tages in Potsdam bildete ein Spaziergang durch das Brandenburger Tor entlang der Brandenburger Straße und durch die Altstadt zu einem gemütlichen Restaurant. Jetzt kamen die Stunden des Abschieds, denn für den nächsten Tag war der Rückflug gebucht. Während des Essens ließ man die gemeinsam verbrachten Tage Revue pas-sieren. In lebhaften Gesprächen wurde festgestellt, dass Jumelages auch anstrengend ist, besonders für die Füße.
Aber man war sich einig, dass unsere Freundschaft, die nun schon über 20 Jahre besteht, dadurch nicht leidet.
до свида́ния!, Auf Wiedersehen, Adjö, Good bye, Au revoir.
Rolf Wojewodka