Jedes Jahr organisiert die Eurojumelage (Hermanamientos Europeos de Telecomunicaciones de España) zwei Intensiv-Sprachkurse in Spanien: einen im Frühling und einen im Herbst. Schon seit Jahren besuche ich den im Frühjahr.

Dieser findet jedes Jahr an einem anderen Ort statt, die aber immer zum „Welterbe der Menschheit“ gehört. So habe ich schon fast ganz Spanien kennengelernt, von der Biskaya bis Andalusien und vom Mittelmeer bis Portugal. Dieses Jahr fand der Kurs in Ávila statt, einer historischen Stadt in der Provinz Kastilien und Leon, nicht weit von Madrid.

Die Teilnehmer kamen auch in diesem Jahr wieder aus Frankreich, Deutschland, Polen und Italien; und erstmals auch vier aus Griechenland. Da die meisten mit dem Flugzeug anreisten, trafen wir uns bereits auf dem Flughafen von Madrid, um die ca. 100 km nach Ávila gemeinsam in einem Bus zu fahren. Dort waren wir in einem sehr guten Hotel untergebracht, in bester Lage mitten in der Altstadt und direkt an der Kathedrale.

Morgens besuchten wir den jeweiligen Sprachkurs; den gab es in 4 Niveaus: einen für absolute Anfänger, 2 mittlere und einen für die, die schon fast perfekt sprechen können. Mittags dann gab es Führungen in der Stadt, so dass wir die Stadt wirklich gut kennenlernten. Die Führungen waren allerdings in Spanisch, man musste die Sprache also schon etwas kennen. Auch in der Freizeit gab es wegen der internationalen Beteiligung viele Gelegenheiten, Spanisch zu sprechen, und aus Madrid kamen einige Male spanische Jumeleure, um mit uns zu sprechen und Freundschaften zu pflegen. Es gab auch freie Abende, in denen wir außerhalb des Hotels essen gingen, in kleineren Gruppen Restaurants besuchten und die spanische Küche genossen. Aber auch im Hotel war das Essen gut.

Am ersten Tag, einem Sonntag, fuhren wir mit dem Bus nach Tordesillas, ebenfalls ei-ne mittelalterliche Stadt, nicht weit entfernt, in der 1494 Spanien und Portugal unter Vermittlung des Papstes die Welt unter sich aufteilten – wenn auch ohne wesentliche Folgen, außer, dass Brasilien portugiesisch wurde und deshalb bis heute als einziges lateinamerikanisches Land Portugiesisch spricht. Außerdem lebte hier lange „Johanna die Wahnsinnige (Juana la Loca)“, Tochter des Königspaars „Isabella und Ferdinand“, und selbst Königin von Kastilien, die allerdings in den Machtkämpfen der Epoche unterging und hierher verbannt und eingesperrt wurde. Ihr Sohn Karl war der erste Habsburger auf dem spanischen Thron (in dessen „Reich die Sonne nie unterging“).

Ávila ist gekennzeichnet durch eine komplett erhaltene Stadtmauer aus dem Mittelalter, die außerdem noch besonders imposant aussieht und in den letzten Jahren perfekt renoviert wurde. Sie stammt noch aus der Zeit der „Reconquista“, der Wiedereroberung Spaniens durch die christlichen Spanier. In dieser Epoche, dem 12. – 14. Jahrhundert, war diese Region ständig umkämpft. In der Altstadt sind die Häuser allerdings bis auf wenige Ausnahmen aus neuerer Zeit, und sie ist geprägt durch den Wandel der wirtschaftlichen Strukturen im modernen Spanien: Geschlossene Geschäf-te, leerstehende Häuser und Wohnungen.

Ávila leidet wie alle anderen kleineren Städte Spaniens unter Arbeitslosigkeit und der Abwanderung der Jugend in die großen Städte und ins Ausland. Hauptarbeitgeber sind touristenbezogene Unternehmen und ein Werk von Nissan, was aber die Nachfrage nach Arbeitsplätzen nur teilweise abdeckt. Ein Einkaufszentrum liegt weit ent-fernt direkt an der Autobahn, die wenigen noch erhaltenen Geschäfte sind in der Neustadt außerhalb der alten Stadtmauern.


Immerhin gibt es noch einen Markt, und zwar in der Stadtmitte auf dem „Plaza Ma-yor“, dem Großen Platz, der hier allerdings „Plaza del Mercado Cico“, „Platz des klei-nen Marktes“, heißt, weil es noch einen größeren außerhalb der Stadtmauern gibt. Hier gibt es wirklich frisches Obst und Ge-müse aus der Region, außerdem spanische Wurst- und Käsespezialitäten zu kaufen, er ist auch Treffpunkt für die Bewohner der Stadt.

Für uns Touristen allerdings bietet Ávila wirklich interessante und schöne Sehens-würdigkeiten: die Stadtmauer, die gotische Kathedrale, alte Paläste und das Ambiente der Altstadt. Eine der Prominenten der Stadt ist „Santa Teresa de Ávila“, eine Nonne im 16. Jahrhundert, die sehr lebhaft an den theologischen Diskussionen in diesem von religiösen Konflikten geprägten Jahrhundert (Reformation, Inquisition …) teilnahm und Nonnenklöster in ganz Spanien gründete. Bis heute ist sie die „Nationalheilige“ Spaniens und anerkannte Kirchenlehrerin in der katholischen Kirche.

Auch dieser Sprachkurs hat mir und den anderen Teilnehmern wieder sehr gut gefallen. Diese Kurse sind hervorragend organisiert, man lernt etwas über Land und Leute, taucht ein in die spanische Kultur und Sprache, kann mit Freunden aus Frankreich, Deutschland, Griechenland, Polen, Italien und natürlich Spanien kommunizieren. Auch im nächsten Jahr will ich wieder an einem solchen Kurs teilnehmen.

Wolfgang Mörler