In Sémur-en-Auxois in der Bourgogne fand 2019 der letzte große OSCAR statt. Man ging auseinander, um sich 2020 in Breslau/Polen wiederzusehen. Aber dann kam die Pandemie und StauseeOSCAR 2020 musste ganz ausfallen.
2021 wagten es die polnischen Organisatoren aus Gorzów, OSCAR stattfinden zu lassen. Es wurde ein kleiner OSCAR, weil viele potenzielle Teilnehmer wegen noch fehlender Impfung nicht anreisen wollten.
Jetzt haben wir 2022 und es geht endlich wieder in der gewohnten Größenordnung weiter.
Organisiert wurde der diesjährige OSCAR von der französischen Sektion Lille von Sylvie Henry mit ihrem Team. Er fand statt vom 27 Juni - 1. Juli im Resort Madame Vacances am Stausee Val Joly bei Eppe-Sauvage in den Ardennen, 2 km von der belgischen Grenze entfernt.
Montag 27. Juni 2022: 85 Teilnehmer und Teilnehmerinnen trafen im Laufe des Nachmittags ein: 48 aus Frankreich, 33 aus Deutschland (davon 13 aus Darmstadt), 2 aus Großbritannien und 2 aus der Schweiz. Die ersten Jumeleure kamen bei heftigem Regen an, aber zum Glück besserte sich das Wetter.
Untergebracht waren wir mit bis zu vier Personen in Holzhäusern, die 2 Schlafzimmer, ein Badezimmer, eine separate Toilette, ein Wohnzimmer mit Küchenzeile und eine Terrasse hatten. Zum Teil lagen die Häuser am Hang zum Stausee in der Nähe des Restaurants, in dem wir das Frühstück und das Abendessen einnahmen, zum Teil weiter weg in der Höhe ohne Ausblick auf den Stausee. So mussten einige von uns 1 km zu den Mahlzeiten zurücklegen. Aber wir waren ja schließlich hierhergekommen, um uns zu bewegen.
Es war sehr schön, beim Apéritif und Abendessen wieder Freunde zu treffen, die man 3 Jahre nicht gesehen hatte.
Wie immer bei OSCAR wurde an 2 Tagen gewandert oder Rad gefahren. Es gab 2 Wandergruppen und 2 Radfahrgruppen. Einige Jumeleure nahmen weder am Radfahren, noch am Wandern teil. Sie gestalteten den Tag auf eigene Faust. Am Tag dazwischen war für alle ein gemeinsamer Ausflug.
Dienstag 28. Juni 2022: Die 2 Radgruppen und die 2 Wandergruppen trafen sich, ausgestattet mit einem Lunchpaket, um zu ihren Wanderungen bzw. Radtouren aufzubrechen. Das Wetter war ideal: Sonne und blauer Himmel.
Ich (Alfred) war bei der Radgruppe 2 mit 14 Teilnehmern unterwegs, zu einer Tour von 60 km, für die Radgruppe 1 waren es 100 km.
Um 9:30 Uhr trafen sich die Radfahrer beider Gruppen sowie 4 professionelle Führer im blauen Firmendress an der Rezeption von Madame Vacances. Während sich die 8 Teilnehmer von Gruppe 1 sowie die jungen Führer beider Gruppen auf ihre eigene Muskelkraft verließen, traf dies in Gruppe 2 nur auf 3 Leute zu. Die andern waren mit E-Bikes ausgerüstet. Gleich am Anfang waren 2 Hügel zu bewältigen, bei denen die Teilnehmer mit E-Bikes mühelos an den 3 Motorlosen vorbeizogen, die keuchend versuchten, mit der Gruppe Schritt zu halten. Danach allerdings wurde das Gelände flacher und wir 3 ohne Motor konnten gut mithalten. Die Tour führte überwiegend über Départment-Straßen, die kaum befahren waren. Es gab mehrere Pausen, eine in Trélon, wo wir den Bürgermeister trafen und eine kleine Nebenstraße voller lustiger Vogelscheuchen besichtigten. Zur Mittagspause bei Liessies trafen wir die Gruppe 1, die auch gerade Picknick machte. Harald stellte fest, dass er dummerweise auch das Picknick seiner Frau eingepackt hatte, die ursprünglich an der Tour teilnehmen wollte, ehe sie ein unglücklicher Sturz gleich zu Beginn daran hinderte. Da er sie nicht verhungern lassen wollte und es nicht mehr weit zum Stausee war, nutzte er die für die Mittagspause vorgesehene Zeit, um Sylvia ihr Picknick zu bringen, in der Absicht anschließend zur Gruppe zurückzukehren. Wir sahen ihn aber bei dieser Tour nicht wieder. Christian, dem man einen sechsten Sinn für Bierkneipen nachsagt, hatte schon das nahegelegene Restaurant mit seinem Biergarten entdeckt, in den er fast alle Teilnehmer der Gruppe 2 erfolgreich lockte.
Die Tour nach der Mittagspause unterschied sich landschaftlich zunächst nicht von der Tour vor der Mittagspause bis wir bei Lev Fontaine auf eine ehemalige Bahntrasse stießen, die zum asphaltierten Radweg ausgebaut, uns mit wenig Steigung in gerader Linie zum See zurückführte. Sie ist Teil des europäischen Radfernwegs EuroVelo 3. Vorbei an der Staumauer und einem letzten Anstieg erreichten wir den Ausgangspunkt vor der Rezeption von Madame Vacances.
Für die kleinere Wandergruppe 1 stand an diesem Tag die Umrundung des Stausees auf dem Programm mit insgesamt 20 km Wegstrecke. Rudi Schug war bei dieser Wandergruppe dabei und berichtet Folgendes:
Bei schönstem Sommerwetter starteten 18 Teilnehmer der Gruppe 1 am Vormittag vom Zentrum am Schwimmbad, um den Stausee Lac du Val Joly in weitem Bogen zu umwandern. Der Weg folgte zunächst dem Seeufer, stieg dann auf die Höhen bis zum Ort Eppe-Sauvage und wechselte dann auf die Südseite des Sees.
Hier folgte die Gruppe einem abwechslungsreichen Wanderweg mit An- und Abstiegen durch den Wald der Abteidomäne Liessies mit einem Arboretum, in dem die verschiedensten Baumarten versammelt sind. Mittagsrast wurde an einer Anlegestelle am See eingelegt, und dann ging es mit neuer Kraft weiter bis zum Ort Willies hinter dem Staudamm und anschließend dem Nordufer des Sees folgend bis zur Ferienanlage.
Ich (Irmi) war bei der größeren Wandergruppe 2 mit 35 Teilnehmern unterwegs. Laut Programm sollte die Strecke 6 km lang sein. Unser Wanderführer machte uns gleich zu Beginn auf die vielen Schwalben und Störche in dieser Gegend aufmerksam. Später auf unserem Weg nach Osten am Stausee entlang, hielt er des Öfteren an, um auf botanische Besonderheiten hinzuweisen. An quakenden Fröschen im Wasser und kleinen Kröten am Wegesrand vorbei ging es weiter zum Dorf Eppe-Sauvage. Um dorthin zu gelangen mussten wir den Weg am Stausee verlassen und bergan gehen. Durch Heckenlandschaft kamen wir an Viehweiden mit Kühen und Schafen vorbei. Da es am Tag zuvor geregnet hatte, waren einige schmale Wege matschig. Zur Mittagszeit kamen wir im Zentrum von Eppe-Sauvage beim Rathaus, der Schule und der Kirche an. Dort machten wir Mittagsrast auf einer langen Mauer und verzehrten unser Picknick. Einigen wurde es zu heiß in der Sonne. Sie flüchteten in den Schatten. Manche füllten auf dem nahegelegenen Friedhof ihre Flaschen mit Wasser auf. Bis jetzt hatten wir schon 7 km zurückgelegt. Das heißt noch einmal 7 km Rückweg lagen vor uns. Bevor wir Eppe-Sauvage wieder verließen, besuchten einige von uns die Kirche. Auf dem Rückweg waren wir froh zum Teil im Schatten laufen zu können. Ein Schwätzchen, mal auf Deutsch, mal auf Französisch ließ den Heimweg nicht so lang erscheinen.
Mittwoch 29. Juni 2022 war unser kultureller Tag. In 2 Bussen ging die Fahrt nach Trélon. Busgruppe 2 begab sich zunächst zum dortigen zweigeschossigen Backsteinschloss, das auch Schloss Merode genannt wird. Ehe wir zu den Innenräumen geleitet wurden, machten wir Gruppenfotos auf der großen Freitreppe und unser Führer gab uns erste Informationen zum Schloss. Es war ursprünglich nur 8 m breit. Später wurde es auf 16 m verdoppelt und mit einem Rundturm versehen. Es ist seit über 450 Jahren Privateigentum der Familie Merode, die im 16. Jahrhundert durch Heirat in den Besitz des Schlosses kam. Im Zweiten Weltkrieg wurde es stark beschädigt, aber danach umfassend restauriert. Seit 1986 steht das Schloss im Stil von Ludwig XIII unter Denkmalschutz.
Während unserer geführten Besichtigung gingen wir durch zahlreiche Schlossräume: die Schlosskapelle, den großen und kleinen Salon, mehrere Schlafzimmer, die Bibliothek, das Vestibül, das große und kleine Esszimmer.
Erwähnenswert sind Tapisserien mit Sternzeichen und astrologischen Motiven sowie im großen Salon einige Sitzmöbel, deren Rückenlehnen Stickereien mit Initialen von weiblichen Adligen zeigen, die während des Schreckensherrschaft im Schloss inhaftiert waren.
Eleonore aus der Sektion Bonn, die selbst auch fremdsprachliche Führungen macht, hat bei der Besichtigung souverän alles aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt.
Nach der Schlossbesichtigung ging es für die Busgruppe 2 zum AMV - Atelier-Musee du Verre in Trélon.
Dieses Atelier-Museum ist eine ehemalige Glashütte aus dem Jahr 1823 und zeigt eine Sammlung von Maschinen, Werkzeugen und Glasproduktionen.
In zwei heißen Glasöfen, die den Raum aufheizten, glühte die Glasschmelze hellrot. Eine Glasbläserin demonstrierte, wie man mit Blasrohr, Zange und anderen Werkzeugen, aus einem Glasklumpen nicht nur Flaschen, sondern auch Kugeln, Vasen und Schnecken formen kann. Wir lernten, wie Glas aus Sand und Pottasche hergestellt wird und welche Salze für die Farben im Glas verantwortlich sind. Das Blasen der Wein-, Sekt- und später Parfümflaschen war für die Männer, die mit ihren Blasrohren direkt in der Hitze des großen Glasofens arbeiteten, ein Knochenjob. Die Kinder mussten die abgekühlten Flaschen aus der Form nehmen, die Frauen waren für die Qualitätskontrolle zuständig.
Gestärkt durch ein leckeres Mittagessen fuhren wir zum MTVS - Musee du Textile et de la Vie Sociale in Fourmies.
Dieses Museum für Textilien und soziales Leben befindet sich in einer Kammgarnspinnerei aus dem Jahr 1863 mit einer Dampfmaschine, die über Riemen und Räder zahlreiche Maschinen antrieb, die zuständig waren für die vielfältigen textilen Prozesse vom Reinigen der Baumwolle über das Spinnen der Fäden zum fertig gewebten Stoff. Damals gab es keine Sicherheitsvorkehrungen. Man konnte schnell einen Finger verlieren, was zum Verlust des Arbeitsplatzes führte.
Ein Museumsrundgang versetzt den Besucher in das Alltagsleben der Arbeiterschaft am Ende des 19. Jahrhunderts. Die Rekonstruktion einer Kneipe, einer Arbeiterwohnung, eines Klassenzimmers und einer Straße mit Geschäften zeigt das tägliche Leben dieser Männer, Frauen und Kinder.
Einige waren vom Besuchs des Museums so erschlagen, dass sie in der Eingangshalle ein Nickerchen machten.
Zurück in ValJoly konnten wir am Abend auch Peter Backes begrüßen, den Vorsitzenden der Eurojumelages. Anschließend stellten wir uns für ein Foto mit unseren grünen T-Shirts in Sternform auf. Dabei bildeten die Teilnehmer mit blauen, gelben, grünen und roten Mützen jeweils einen Strahl des Sterns.
Donnerstag 30. Juni 2022: Regen war angesagt. Ich (Alfred) war wieder mit der Radgruppe 2 unterwegs. Trotz kühler Temperaturen und grauem Himmel von dem schon die ersten Tropfen fielen, fuhren wir los. Wir hatten unsere Regenjacken dabei.
Diesmal war ich von den 10 verbliebenen Teilnehmern in Gruppe 2 der einzige ohne E-Bike, weil Herbert und Harald es vorzogen, stattdessen die als Fahrradweg ausgebaute Eisenbahntrasse weiter zu erkunden. Ich empfand die Tour anstrengender als die Tour am Dienstag, vermutlich, weil weniger und kürzere Pausen gemacht wurden. Nur in Solre-le-Château mit dem eindrucksvollen Kirchturm hielten wir uns länger auf. Obwohl es nicht viel regnete - so richtig nass wurde ich erst, als mir beim Abendessen eine Kellnerin ihr halbes Tablett mit Kir überkippte - war die Stimmung so, dass wir beschlossen, die Nachmittagstour ausfallen zu lassen. Das war auch gut so, weil der Himmel am Nachmittag so richtig seine Schleusen öffnete.
Aufgrund der Wettervorhersage waren beide Wandergruppen am Donnerstag kleiner als am Dienstag. Für Wandergruppe 1 waren an diesem Tag 16 km vorgesehen. Rudi Schug war bei dieser Wandergruppe dabei und berichtet Folgendes:
Trotz der Wettervorhersage mit Dauerregen ab dem späten Vormittag starteten 13 mutige Wanderer mit Regenschutz ausgestattet vom Zentrum am Schwimmbad am See entlang nach Willies, tauchten dann in den weitläufigen Abteiwald ein und erreichten tief im Forst versteckt die Kapelle der heiligen Hiltrude, wo eine kleine Rast eingelegt wurde. Auf abwechslungsreichen Pfaden ging es weiter bis in den Ort Liessies mit der ehemaligen Abtei in der Ortsmitte. Bei der Besichtigung der altehrwürdigen Abteikirche fällt im Seitenschiff der Goldschrein mit den Gebeinen der Heiligen Hiltrude ins Auge. Das Picknick fand anschießend im schönen Abteipark statt. Weiter ging es über die Höhen mit Feldern und Bauernhöfen, bis die Gruppe wieder an den See nahe der Ferienanlage gelangte. Kurz vor Ende überraschte dann einsetzender, heftiger werdender Regen die Wandergruppe vor dem Ziel.
Für Wandergruppe 2 waren 6 km angegeben, was ausgehend von der Erfahrung am Dienstag das Doppelte bedeuten würde. So bestand die Wandergruppe nur aus 17 Teilnehmern incl. Peter Backes. Der Rest zog es vor, zusammen mit Gleichgesinnten in der Nähe unserer Unterkunft zu wandern, um bei einsetzendem Regen schnell zurückkehren zu können. Auch ich (Irmi) gehörte dazu und unternahm mit Michaela eine kleine Wanderung entlang des Stausees Richtung Westen. Dabei trafen wir immer wieder auf andere individuell wandernde Jumeleure.
Der Dauerregen kam im Laufe des Tages tatsächlich, zunächst schwach, dann aber stärker. Zum Abschlussabend mussten wir mit Schirmen gehen.
Nach einer Ansprache von Peter Backes verkündete Sylvie die Ergebnisse über die zurückgelegten Kilometer:
insgesamt: Frankreich 1950 km, Deutschland 1910 km, England 400 km, Schweiz 220 km Radfahren: 1. Dijon 620 km, 2. Konstanz: 610 km, 3. York: 400 km
Wandern: St. Quentin 390 km
Somit geht der OSCAR-Pokal an die Sektion Dijon, der Wanderpokal an die Sektion St. Quentin. Die Lenkstange erhielt Harry Manicor als jüngster Radfahrer.
Auch André Rousselot aus Dijon, der Vater von OSCAR, wurde geehrt. Er hat im Mai seinen 90. Geburtstag gefeiert.
Michaela Alber, die neue Vorsitzende der Eurojumelages Deutschland stellte dann noch anhand einer PowerPoint-Präsentation OSCAR 2023 in Deutschland vor: 11. – 15. September auf der Sonnenmatte in der Schwäbischen Alb in der Nähe von Reutlingen.
Freitag 1. Juli 2022: nach dem Frühstück trennten sich unsere Wege wieder. Auf Wiedersehen bis nächstes Jahr beim OSCAR in Deutschland.
Irmi & Alfred Corbet